8. Mai: Tag der Befreiung
- Tag des Widerstandes:
Erinnern und Konsequenzen ziehen!

Am 8. Mai1945 ist Nazideutschland am Ende. 55 Millionen Menschen wurden in Konzentrationslagern fabrikmäßig vernichtet oder starben durch den deutschen Expansionskrieg. Darunter 20 Millionen Sowjet bürgeInnen und 6 Millionen Jüdinnen und Juden. Während der 8. Mai für viele Deutsche nur das Ende eines schrecklichen Krieges bedeutete, ist dieser Tag fürMilllonen von ZwangsarbeiterInnen. KZ-Häftlingen, Widerstandskämpferinnen und die Mehrheit der Bevölkerung fast aller Staaten Europas Symbol ihrer Befreiung vom NS-Terror. Sie erlebten den 8. Mai 1945 so, wie wir ihn heute sehen: als Tag der Befreiung..

Antifaschistlnnen, die Konzentrationslager, Verfolgung und Exil überlebt hatten hegten die Hoffnung auf einen Neubeginn. Die Uberiebenden des KZ Buchenwald formulierten in ihrem Schwur am 19. April 1945: "Wir schwören deshalb vor aller Welt auf diesem Appellplatz, an dieser Stätte des faschistischen Grauens: Wir stellen den Kampf erst ein, wenn auch der letzte Schuldige vor den Richtern der Völker steht! Die Vernichtung des Nazismus mit seinen Wurzeln ist unsere Losung. Der Aufbau einer neuen Welt des Friedens und der Freiheit ist unser Ziel."

Nie wieder Krieg! Nie wieder Faschismus!

Was 50 Jahre später, am 8. Mai 95, geschieht, hat mit den Vorstellungen und Forderungen dieser Menschen nichts mehr zu tun: Die regierungsamtlichen Feierlichkeiten werden diesen Tag dazu instrumentalisieren, sich zwar zur "Schuld des deutschen Volkes zu bekennen, gleichzeitig aber auch das "Elend der deutschen Bevölkerung im und nach dem zweiten Weltkrieg" in den Vordergrund zu rücken. So werden die Verbrechen des Nationalsozialismus relativiert, die Grenzen zwischen Tätern und Opfern verschwimmen. Es soll endgültig ein "Schlußstrich gezogen" und zur "Normalität" zurückgekehrt werden. Gedenken, das aus Vergangenem Konsequenzen für das Heute zieht soll es kaum geben. Widerstand gegen den Nationalsozialismus wird auf den bürgerlicher und militärischer Kreise reduziert.

Dem wollen wir etwas entgegensetzen. Wir wollen deutlich machen, daß der Faschismus 1933 nicht aus dem Nichts gekommen ist und 1945 nicht still und heimlich verschwunden ist. Wir wollen das in einer Zeit tun, in der Momente, auf die der deutsche Faschismus aufbauen könnte, eine Renaissance erleben.

Die faktische Neugründung der Bundeswehr als Armee, die weltweit in Kriegen eingesetzt wird, steift den Höhepunkt einer Entwicklung dar, die wenige Jahre nach Kriegsende mit der Durchsetzung der Wiederbewaffnung gegen eine Mehrheit der BevöIkerung begann. "Von deutschem Boden darf nie wieder Krieg ausgehen!" - dieser Schwur von 1945 hat für die BRD 1995 nur noch historische Bedeutung. Antimiltaritaristische Absichten des Grundgesetzes wurden vom Bundesverfassungsgericht weginterpretiert, um internationale Kriegseinsätze zu ermöglichen.
Mit der faktischen Abschaffung des Asylrechts tilgte eine große Koalition aus CDU/CSU, FDP und SPD einen der Artikel aus demGrundgesetz, der als Lehre aus dem Faschismus galt. Mit der weitiergehenden Debatte schufen sie eine gesellschaitiiche Stimmung, die aus rassistischen und antisemitischen Denkmustern Terror und Mord werden ließ. Nationalistische Politikkonzepte sind in weiten Kreisen der Bevölkerung akzeptiert, was auch in der Debatte um den "Standort Deutschland" und der fehlenden Opposition dagegen deutlich wird.
Daß als eine Konsequenz aus dem Zusammenwirken von Großkapital und Nationalsozialistlnnen sogar die CDU nach 1945 die Vergesellschaftung der Grundindustrien forderte, weiß heute kaum jemand mehr. Dafür wird heute die Priorität der Interessen des Kapitals weniger denn je hinterfragt. Ohne Widerspruch werden masssive Einschränkungen des Sozialstaates hingenommen.
Die Trennung von Polizei und Geheimdienst sowie die Dezentralisierung der Polizei, die als Lehre aus dein Temror der Gestapo durchgesetzt wurden, sind mittlerweile weitgehend aufgehoben, z.B. durch die Gründung des BKA in den 70er Jahren und das Verbrechensbekämpfungsgesetz von 1994.

Der 8. Mai ist für uns ein Tag der Befreiung - auch wenn klar ist, daß der Bruch nicht sehr kosequent war; eine "Stunde Null" hat es nie wirklich gegeben. Zwar gab es nach 1945 Ansätze für einen politischen Neubeginn, aber insgesamt stellen wir heute fest, daß in der Geschichte der BRD nie ernsthaft selbstkritisch von breiteren Kreisen der Bevölkerung über Konsqenzen aus dem Faschismus diskutiert worden ist. Nur ein kleiner Teil der Hauptverantwortlichen des NS-Terrors hat sich jemals vor einem Gericht verantworten müssen. Viele, die sich während des 3. Reiches in ihren Funktionen in Justiz, Milltär, Industrie und Politik schuldig gemacht hatten, konnten ihre Karriere nahtlos in den BRD Institutionen fortsetzen. Der erste Bundeskanzler, Konrad Adenauer, holte sich den Kommentator der Nürnberger Rassegesetze, Hans Globke, als Staatssekretär ins Bundeskanzleramt. Und viele derAntifaschistlnnen,die in den 50er Jahren gegen dieWiederbewaffnung protestierten sahen sich in erneuter Opposition zur politischen Entwicklung. 1956 wird die KPD verboten, und viele KommunistInnen wanderten unter Adenauer erneut ins Gefängnis. Auch darauf wollen wir an diesem Tag aufmerksam machen.

Der 8. Mai ist daher für uns auch ein Tag des Widerstandes: Widerstand gegen eine Politk, die das Kapitel "Faschimus" schon immer zu den Akten legen wollte und gerade dadurch eine weitere Rechtsentwicklung in der Gesellschaft ermöglichte und ermöglicht. Eine Politik, die heute die letzten Lehren, die aus dein Faschismus gezogen wurden, systematisch auslöscht. Somit stellen wir uns bewußt in die Tradition des antifaschistischen Widerstands gegen den Nationalsozialismus, ohne die heutige Situation mit der von damals gleichsetzen zu wollen. Die Charakterstärke dieser Menschen macht uns Mut, auch heute konsequent gegen Faschismus und Krieg für eine Weit des Friedens und der Freiheit zu kämpfen. Die Vernichtung des Nazismus mit allen seinen Wurzeln das ist auch unsere Losung.

Wir wollen zeigen, dass alle, die es ernst meinen mit dem Schwur "Nie wieder Faschismus! Nie wieder Krieg!" Konsequenzen daraus ziehen müssen - auch und gerade heute. Wir rufen alle Menschen in NRW auf, sich an unseren Veranstaltungen zum 8. Mai 1995 zu beteiligen, dem antifaschistischen Widerstand zu gedenken und mit uns nach neuen Perspektiven für eine demokratische und soziale Gesellschaft zu suchen.

JungedemokratInnen Märkischer Kreis